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Mietspiegel in Berlin nicht qualifiziert?

Ein qualifizierter Mietspiegel hat im Gerichtsprozess eine Beweiswirkung:

Es wird vermutet, dass die dort abgebildeten Mieten die ortsübliche Miete darstellen. Deswegen muss ein Mietspiegel unter anderem nach wissenschaftlichen Kriterien erarbeitet sein, damit er als "qualifiziert" gilt.

Es gibt aber auch in der Statistikwissenschaft (um die geht es hier) nicht nur eine einzige wissenschaftliche Methode, sondern verschiedene Ansätze. Es geht nicht um die Feststellung von naturwissenschaftlichen Tatsachen, sondern darum, zu ermitteln, welche Mieten in einer Gemeide "üblich" sind, also um die  Einschätzung einer Situation. Das Gesetz verlangt für den einzelnen Mietspiegel keine Doktorarbeit, und es stehen nur begrenzte Finanzmittel zur Verfügung. Es muss also immer eine Abwägung stattfinden, mit welchem Aufwand und mit welchen Methoden man ein vernünftige praktische Einschätzung bekommt, in welchem Bereich die in der Gemeinde üblichen Mieten für bestimmte Wohnungen liegen.

Der Gesetzgeber hätte dies klarer ausdrücken können. Er hätte auch anordnen können, dass vom Gericht immer die Mieten zugrunde zu legen sind, die in einem qualifizierten Mietspiegel erfasst sind. Das Gesetz enthält hier eine Aufweichung, und die Gerichte müssen mit dieser weichen Stelle sachgerecht umgehen. Das bedeutet, dass der Richter sich nicht dem Geschmack eines Gutachters ausliefern darf, sondern das Gericht muss präzise Fragen stellen, es muss Gegenargumente sorgfältig prüfen, erst recht wenn Gegengutachten vorgelegt werden, und es muss sich selbst so sachkundig machen, dass es die Fragen mit den Gutachtern etwa auf Augenhöhe besprechen kann.

Ob all das in den heftig diskutierten Prozessen geschehen ist, darf bezweifelt werden. Inzwischen ist bekannt geworden, dass bereits eine Kammer des Landgerichts ganz ausdrücklich den Berliner Mietspiegel für ausreichend wissenschaftlich belegt hält, eine ganze Reihe von Amtsgerichtsurteilen sind ebenfalls der Ansicht, dass der Berliner Mietspiegel die ortsübliche Miete abbildet.

Es kann nicht danach gehen, ob ein Mietspiegel in allen Punkten dem wissenschaftlichen Ansatz eines Gutachters entspricht, sondern letztlich geht es um Maßstäbe der praktischen Vernunft.

Die Mieter in Berlin sollten sich weiterhin unverdrossen auf den Mietspiegel stützen - und übrigens wäre auch vielen Vermietern, vor allem den kleineren mit wenigen Wohnungen, wenig gedient, wenn sie für jede Mieterhöhung Vergleichswohnungen oder Sachverständigengutachten beschaffen müssten.

Rainer Tietzsch, Redaktion proMietrecht



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